Der elegante Weg – Vorteile des Aufhebungsvertrags
- Anja Kömpf
- 19. Mai 2024
- 4 Min. Lesezeit
Der Arbeitgeber wünscht sich häufig ein rasches Ende der Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer, kann das Arbeitsverhältnis aber nicht (so schnell) rechtswirksam kündigen. Dem Arbeitnehmer kann es höchst unlieb sein, das Arbeitsverhältnis selbst (womöglich mit langer Frist) zu kündigen oder „gekündigt zu werden“.
Die größte Hürde für den Arbeitgeber stellt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dar. Dieses Gesetz gilt, wenn das Arbeitsverhältnis seit mehr als sechs Monaten besteht und der Arbeitgeber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (wobei hier nicht nach „Köpfen“ gezählt wird, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden sind mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 zu berücksichtigen). Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. In der Alltagssprache: Der Arbeitgeber benötigt einen Kündigungsgrund.
Manch ein dem Arbeitgeber gewichtig erscheinender „Kündigungsgrund“ – der Arbeitnehmer ist „zu schlecht“ („low performer“), zu „teuer“, „macht auf krank“ oder liegt mit Kollegen oder Kunden im Klinsch oder der Arbeitgeber muss oder möchte im schlechten wirtschaftlichen Umfeld Arbeitsplätze abbauen – entpuppt sich bei näherem Hinsehen angesichts der hohen Voraussetzungen des Kündigungsrechts als unzureichend, zumal der Arbeitgeber den Kündigungssachverhalt im Streitfall beweisen muss.
Neben diesem allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG müssen Arbeitgeber auch den besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz (z. B. § 15 KSchG, § 17 MuSchG, § 18 BEEG, § 168 SGB IX) oder tariflichen Kündigungsschutz beachten.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, obwohl die Rechtswirksamkeit der Kündigung nicht gesichert ist, und begegnet er dann dem gekündigten Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht, droht ein längeres Verfahren mit ungewissem Ausgang. Dieser belastet vor allem den Arbeitgeber, der womöglich den Annahmeverzugslohn – im worst case nach mehreren Instanzen – bezahlen muss. Auch das Erscheinen anderer Mitarbeiter als Zeugen ist lästig. Insofern überrascht es kaum, dass die ganz überwiegende Zahl der Kündigungsschutzprozesse mit einem gerichtlichen Vergleich beendet wird. Im arbeitsgerichtlichen Vergleich heißt es dann: „Die Beklagte zahlt dem Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Entschädigung in Höhe von...“. Obwohl das deutsche Arbeitsrecht kein Abfindungsrecht ist, ist der „Abkauf“ des Prozessrisikos für den Arbeitgeber in den meisten Fällen das Mittel der Wahl.
So mancher Arbeitgeber kommt deshalb auf die Idee, dieses – nicht nur zeitaufwendige und kostenriskante, sondern womöglich auch imageschädigende – Prozedere abzukürzen: Im Wege der vertraglichen Vereinbarung kann ein Arbeitsverhältnis zu jedem Zeitpunkt beendet werden: § 623 BGB bezeichnet diesen Weg als Auflösungsvertrag.
Mit einem Aufhebungsvertrag kann das Arbeitsverhältnis ohne Berücksichtigung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen, des Kündigungsschutzes und damit auch bei fehlender oder zweifelhafter sozialer Rechtfertigung, ohne behördliche Zustimmung und ohne Anhörung des Betriebsrats einvernehmlich beendet werden – eine Allzweckwaffe.
Für den Aufhebungsvertrag ist freilich die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Aber auch auf seiner Seite können Vorteile liegen: Tut sich für ihn kurzfristig eine günstige Gelegenheit bei einem anderen Arbeitgeber auf, kann er vor dem Ablauf der Kündigungsfrist ausscheiden. Lauert außerdem die Gefahr einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung, kann der Arbeitnehmer mit dem „neutralen“ Aufhebungsvertrag die Publizität des Kündigungsgrundes vermeiden. Vor allem bei einer drohenden fristlosen Kündigung wird der Arbeitnehmer interessiert sein, die Sache „geräuschlos“ zu erledigen. Und natürlich geht es am Ende um das Geld: Eine Abfindung ist - meistens – rasch auf dem Konto und immerhin sozialversicherungsfrei.
Schließlich bietet der Aufhebungsvertrag die Möglichkeit, neben dem Beendigungszeitpunkt weitere Tatbestände wie noch offenen Urlaub, Boni oder andere zusätzliche Zahlungen, Herausgabepflichten und das Arbeitszeugnis zu regeln. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags hat den Charme, insgesamt einen Schlusspunkt zu setzen.
Der Arbeitnehmer hat allerdings zu beachten, dass die Agentur für Arbeit wegen einer Aufhebungsvereinbarung eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld verhängen kann. Ihm ist dringend zu raten, sich vor der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags über dessen sozialrechtliche – und auch steuerliche – Folgen zu informieren. Dem Arbeitgeber ist umgekehrt dringend zu raten, im Aufhebungsvertrag durch entsprechende Formulierungen klarzustellen, dass er den Arbeitnehmer auf diesbezügliche Risiken hingewiesen hat. Er schuldet dabei keine Rechtsberatung; zu empfehlen ist aber unbedingt ein unmissverständlicher Hinweis auf das Risiko einer Sperrzeit und anderer Nachteile und darauf, dass der Arbeitnehmer sich hierzu bei einer zuständigen Stelle erkundigen soll. Die Verletzung dieser Aufklärungspflicht führt zwar nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags, kann aber eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers begründen.
Um in den Genuss einer schnellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der endgültigen Klärung offener Punkte zu kommen, sollte gewährleistet sein, dass der Aufhebungsvertrag nicht angefochten werden kann. Eine Anfechtung ist nämlich nach §§ 119, 123 BGB (bei Irrtum oder Drohung) möglich. Immer wieder tauchen Fälle auf, in denen der Arbeitnehmer behauptet, der Arbeitgeber habe ihn zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags „genötigt“, indem er ihm mit einer fristlosen Kündigung gedroht hätte. Weder ein Inaussichtstellen einer fristlosen Kündigung noch eine andere Drucksituation dürfen zum Abschluss der Vereinbarung führen. Diese Fälle werden u. a. in der Kategorie „Überraschungseffekt“ behandelt. Dem Arbeitgeber ist also sehr zu empfehlen, dem Arbeitnehmer eine angemessene Überlegungszeit einzuräumen und von Discountparolen zu seinem Angebot („Diese Chance gibt es nur jetzt“) abzusehen.
Werden diese Vorgaben beachtet, haben beide Seiten die arbeitsrechtlich eleganteste Lösung gewählt.